Gibt es russische Dialekte und Mundart?

Die Situation in Deutschland
Wer als Ausländer nach Deutschland auswandert, muss vieles neu lernen. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Aller Anfang war schwer und es dauerte eine Zeit, bis ich mich an meine neue Heimat gewöhnt hatte. Inzwischen fühle ich mich in Deutschland sehr wohl und gut integriert. Doch eine Sache bereitet mir nach wie vor Kopfschmerzen: die vielen Dialekte, welche gerade hier in Süddeutschland gesprochen werden. Und ich weiß von anderen Ausländern, denen es hier ähnlich geht wie mir. Immerhin beruhigt mich, dass sich auch die Deutschen untereinander mit ihren verschiedenen Dialekten nicht immer sofort verstehen. Dabei muss ich an einen älteren deutschen Verwandten von mir denken. In seinem bayrischen Dorf ist ein sehr eigenes Vokabular üblich. Z. Bsp. ist der Dienstag der „Irda„. Doch wenn er davon spricht, sehe ich selbst bei meinen deutschen Verwandten ratlose Gesichter.
Warum gibt es so viele deutsche Mundarten
Bevor ich auf Russland zu sprechen komme und russische Dialekte die es (vielleicht) gibt, wieso gibt es Mundart in Deutschland? Indem wir diese Frage klären, verstehen wir auch besser, warum die russische Sprache etwas weniger vielfältig ist. Dazu müssen wir einen Blick in die Geschichtsbücher werfen. Denn Deutschland oder „den Deutschen“ gibt es eigentlich noch nicht so lange. Über Jahrhunderte war Deutschland nur ein Flickenteppich, eine Aneinanderreihung unterschiedlicher Herzog-und Fürstentümer. Das ganze Mittelalter über bis ins 19. Jahrhundert.

Erst vor ca. 150 Jahren begann man, diesen Flickenteppich im großen Stil zu vereinheitlichen. Vor allem Otto von Bismarck ist hier zu nennen, der die Schaffung eines einheitlichen deutschen Reichs vorangetrieben hatte. Seit dieser Zeit kann man von etwas sprechen, dass dem heutigen Deutschland ähnelt. Doch die vielen unterschiedlichen Dialekte sind natürlich geblieben. Natürlich resultieren sie nicht nur aus dieser Flickenteppich-Zeit. Sicherlich waren die Menschen auch allgemein weniger mobil zu jeder Zeit. Die Menschen lebten sozusagen in ihrem Dorf und einen Umkreis von wenigen Kilometern, wodurch sich eben eigene Mundarten herausgebildet haben. Doch dass es solange kein einheitliches Deutschland gab, hatte ebenso seinen Einfluss auf die Sprache. Gerade wenn wir den Vergleich zu Russland ziehen.
Russische Dialekte und Mundart
Denn wie ist die Situation in Russland, was russische Mundart im Vergleich zu Deutschland betrifft. Sehr überschaubar. Weil es im Grunde nur drei russische Dialekte gibt: den nördlichen, den südlichen und den Dialekt für Zentralrussland. Letzterer ist im Grunde keine Mundart, sondern die russische Hochsprache. Sie wird im gesamten asiatischen Teil Russlands gesprochen. Außerdem – dem Namen nach – in Zentralrussland, einer Region im europäischen Teil Russlands. Auf dem europäischen Kontinent gibt es daneben noch den nord- und südrussischen Dialekt. Dabei handelt es sich um die einzigen beiden Abweichungen von der russischen Hochsprache. Daher existieren russische Dialekte im Wesentlichen nur im europäischen Teil Russlands:

Die russische Mundart in Nord- und Südrussland klingt für einen Russen aus Zentralrussland oder Asien sehr ungewöhnlich. Doch sie ist etwas eher verständlich und weicht weniger von der Norm ab, wie viele deutsche Dialekte. Genauso wie in Deutschland werden auch in Russland Dialekte eher von der älteren Generation gesprochen. Die junge Generation spricht eher ohne Dialekt die russische Hochsprache. Dies mag auch daran liegen, dass die Urbanisierung in Russland sehr stark ausgeprägt ist.
Warum gibt es so wenig russische Mundart
Trotzdem bleibt die Frage, warum russische Mundarten im Vergleich zu Deutschland nicht so stark ausgeprägt sind. Genauso wie bei Deutschland hilft hier ein Blick in die Geschichte. Denn Russland war nicht schon immer so riesengroß, wie es heute erscheint. Zum Beispiel wurde Wladiwostok, die berühmte Stadt im Osten Russlands, erst vor knapp 150 Jahren gegründet. D.h. aber auch, dass diese Russen in Wladiwostok im Prinzip ursprünglich Russen aus dem europäischen Teil Russlands sind. Dementsprechend konnte sich im fernen Osten kein eigener Dialekt entwickeln und nur die russische Hochsprache. Das gleiche gilt zeitversetzt für die anderen asiatischen Regionen Russlands die erst spät besiedelt wurden.

Weil der historische Teil Russlands in Europa liegt, gibt es auch dort nur russische Mundart. Die „neueren“ Regionen in Asien haben die russische Hochsprache übernommen. Das führt dazu, dass in Wladiwostok dasselbe Russisch wie in Moskau gesprochen wird. Während ein Russe nur wenige hundert Kilometer nördlich oder südlich von Zentralrussland Mundart sprechen kann.
Dazu kommt, dass Russland als solches schon viel länger in einer einheitlichen Form existiert als Deutschland. Der Flickenteppich wurde quasi schon viel früher vereinheitlicht. Zu einem gemeinsamen Staat, mit einer gemeinsamen Religion, als auch Sprache.
Immerhin ist all das für dich als Ausländer in Russland von Vorteil. Denn auch wenn die russische Sprache nicht leicht zu erlernen ist, musst du dich weniger mit Dialekt herumschlagen. Unter diesem Aspekt ist das Russisch der Einheimischen für einen Ausländer leichter zu verstehen.
Russische Dialekte
Unter dem Strich gibt es im Wesentlichen also nur zwei Abweichungen von der russischen Hochsprache. Dies ist der nordrussische Dialekt, sowie der südrussische Dialekt. In welchen Regionen diese gesprochen werden, haben wir bereits erfahren. Doch was genau macht diese beiden russischen Mundarten aus?
Nordrussischer Dialekt
- In der russischen Hochsprache wird ein unbetontes (o) als (a) ausgesprochen. Im Gegensatz zum nördlichen Dialekt, wo (o), egal ob betont- oder unbetont, als (o) ausgesprochen wird. Zum Beispiel das Wort Kopf (голова), dass im Hochrussischen „galawa“, doch im Nordrussischen „golowa“ ausgesprochen wird.
- Natürlich ist das nur eine, doch sehr wesentliche Eigenschaft des nordrussischen Dialekts. Daneben werden aber z. Bsp. auch noch bestimmte Wörter komplett anders verwendet. Um es deutlich zu machen, hier ist ein Beispielsatz auf Nordrussisch: Больно хорошо щи да картошку приготовили. Doch in der russischen Hochsprache lautet dieser wie folgt: Очень хорошо щи и картошку приготовили.

Südrussischer Dialekt
- Ganz typisch für den südrussischen Dialekt ist die Art und Weise, wie der Buchstabe г ausgesprochen wird. Nämlich nicht als “g”, wie im Hochrussischen, sondern als “h” oder “ch”. Zum Beispiel das Wort Stiefel (сапоги), dass im Hochrussischen „sapagi“, doch im Südrussischen „sapahi“ ausgesprochen wird.
- Das ist nur eine Besonderheit der südrussischen Mundart. Daneben werden auch hier Wörter anders verwendet. Dies soll folgender Beispielsatz auf Südrussisch deutlich machen: Дюже много снега выпало, усю дорогу замело, до хаты ни дойти. Während dieser in der russischen wie folgt lautet: Очень много снега выпало, всю дорогу замело, до дома не дойти.
Die russische Sprache ist vielfältig, erfahre mehr über sie:
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